Bargeld Großbritannien gilt als Vorreiter beim Bargeld losen Bezahlen

Großbritannien ist führend beim bargeldlosen Bezahlen, Corona beschleunigt die Entwicklung noch. Während Verbraucherschützer warnen, der Zugang zu Cash werde immer schwieriger, rücken ganz neue Optionen zur finanziellen Repression ins Blickfeld.

Die Bäckerei an der nächsten Ecke, der Käseladen und das Eiscafé ein paar Schritte weiter, eine Pizzeria, die Take-away anbietet – alle machen es genauso Sie nehmen nur noch Kreditkarte.

Die großen Handelsunternehmen haben nicht anders reagiert. Die Heimwerkermarktkette B&Q akzeptiert in ihren fast 300 Märkten seit einigen Wochen ausschließlich Karten. Supermärkte wie Tesco und Sainsbury‘s halten alle Kunden dazu an, mit Plastik zu zahlen.

Großbritannien gilt seit Langem als einer der Vorreiter in Europa bei bargeldlosen Transaktionen. Während 2008 noch 60 Prozent aller Transaktionen bar bezahlt wurden, schrumpfte der Anteil binnen zehn Jahren auf 28 Prozent. In Deutschland wurden zu dem Zeitpunkt noch drei Viertel aller Transaktionen mit Cash beglichen.

Die Corona-Krise hat den Trend zu weniger Bargeldnutzung im Land noch einmal deutlich beschleunigt. Nach Angaben von Link, Betreiber des Geldautomatennetzwerks im Land, lagen Abhebungen in den ersten drei Wochen der Ausgangssperre, die am 23. März begonnen hat, um 60 Prozent niedriger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Seit Mitte April hat die Nachfrage nach Scheinen zwar wieder leicht zugenommen, sie liegt aber weiter um 50 Prozent niedriger als vor einem Jahr.

Nicht nur der Handel reagiert schnell auf die veränderten Zahlungsgewohnheiten. Die Banken und private Anbieter von Geldautomaten machen es nicht anders. Die Ausdünnung des Netzwerks hat noch einmal einen deutlichen Schub bekommen. 60.594 Automaten zählte Link Anfang Januar. Drei Monate später waren es noch 53.195, ein Rückgang um zwölf Prozent.

Die Entwicklung ruft inzwischen Verbraucherschützer auf den Plan. Sie warnen, der Zugang zu Cash werde immer schwieriger, obwohl das Zahlungsmittel gerade auch in der Krise eine große Bedeutung hat. Laut „Which “, einer landesweiten Verbraucherschutzorganisation, nutzen 51 Prozent all jener, die in diesen Wochen aus gesundheitlichen Gründen auf Hilfe beim Einkaufen angewiesen sind, Bargeld, um die Nachbarschaftshelfer zu entlohnen.

Rund 1,3 Millionen Erwachsene in Großbritannien haben kein Konto, hat die Aufsicht Financial Conduct Authority im vergangenen Jahr festgestellt. Rund ein Fünftel der Bevölkerung brauche immer noch Bargeld, Ein Großteil sei besonders hilfsbedürftig, viele Ältere seien darunter, aber auch Bezieher niedriger Einkommen. Bevor nicht eine entsprechende Infrastruktur für diese Betroffenen geschaffen sei, dürfe die Gesellschaft nicht bargeldlos werden, warnt sie.

Bei der Veröffentlichung des Haushalts im März hat Finanzminister Rishi Sunak bereits angekündigt, dass die Regierung den Zugang zu Bargeld gesetzlich sicherstellen wolle, so lange das nötig sei. Eine konkrete Ausgestaltung gibt es jedoch bis heute nicht.

Die Weigerung von Geschäften, Münzen und Scheine anzunehmen, dürfte das indes nicht betreffen. Zwar ist das Pfund gesetzliches Zahlungsmittel im Land. Doch das bedeutet lediglich, dass Bargeld nicht bei der Rückzahlung von Schulden ausgeschlagen werden darf. Handelsunternehmen können dagegen selbst entscheiden, welche Zahlungsmittel sie akzeptieren.

Ein weiterer Aspekt einer bargeldlosen Welt beschäftigt in den vergangenen Wochen die Experten: die Möglichkeit, negative Zinsen in breitem Stil für private Sparer und Unternehmen durchzusetzen.

In einer Welt ohne Cash verschwinde diese Begrenzung, Zentralbanken könnten die Zinsen so tief fallen lassen, wie sie möchten und wie es angemessen scheint, um den Verbrauch anzukurbeln. Selbst auf den britischen Einkaufsstraßen ist das Ende des Bargelds noch nicht sicher.